Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GB Psyche) ist ein zentrales Instrument des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes

Im Fokus steht dabei das Grundschema menschengerechter Arbeit, welches in Deutschland nach strengen Gesetzen geregelt wird – dem Wohl Ihrer Mitarbeiter zuliebe. Die regelmäßige psychische Gefährdungsbeurteilung (GB Psyche) ist für alle Arbeitgeber – auch für Kleinbetriebe bis maximal zehn Beschäftigte – nach ArbSchG §5 Pflicht. 

Was sind eigentlich psychische Belastungen?

Belastungen sind grundsätzlich alle externen Bedingungen, die von außen auf den Menschen einwirken, unabhängig ob im Privatleben oder im Arbeitsleben.

Am Arbeitsplatz sind es einzelne Arbeitsbedingungen, die sich – arbeitswissenschaftlich nachgewiesen – über kurz oder lang negativ auf die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns auswirken (z.B. Verringerung der Konzentrationsfähigkeit, Erinnerungslücken…) und/oder sich negativ auf die Gefühlswelt auswirken (z.B. ungeduldiger werden, schneller aus der Haut fahren …).

Was müssen Arbeitgeber:innen erfassen?

Betriebe sind verpflichtet zu analysieren, ob es Arbeitsbedingungen (d.h. alle Faktoren am Arbeitsplatz) gibt, die psychisch belastend sind, also krankmachend. Dabei ist es nicht Aufgabe der Arbeitgeber:in zu überprüfen, ob einzelne Mitarbeitende die Arbeit als stressend empfinden.

Vielmehr müssen Unternehmen die Bedingungen an den Arbeitsplätzen insgesamt unter die Lupe nehmen.

Dazu zählen:

Die Arbeitsintensität

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  • quantitative Überforderung         (permanent hohe
             Arbeitsmenge)
  • qualitative Überforderung
  • emotionale Überforderung         (Emotionsarbeit)

Die Arbeitsorganisation

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  • Arbeitszeit
  • Arbeitsablauf
  • Arbeitsmittel
            (inkl. IT Technik)

die Dauer, Lage und
Verteilung der

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  • Schichtpläne und
             Dienstwechsel
  • Arbeitszeit- und
             Pausenregelungen

Die Umgebungsfaktoren

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  • Lärm
  • Beleuchtung
  • Klima
  • Hitze

mangelndes soziales
Miteinander am Arbeitsplatz

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  • Konflikte
  • Kooperation
  • Unterstützung
  • Betriebsklima

ineffiziente
Arbeitsprozesse

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  • z.B. häufige          Unterbrechungen am
             Arbeitsplatz
  • langsame Arbeitsprozesse          aufgrund veralteter Technik
  • Doppelte Arbeitsschritte          aufgrund fehlender oder          unzureichender          Informationen

Führungsverhalten

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  • mangelndes Feedback
  • Desinteresse an          Mitarbeitenden
  • autoritärere Führung
  • Führungsloch

Besondere Formen der Arbeit

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  • Home-Office
  • Selbstständigkeit
  • ständige Erreichbarkeit
  • Homo Flexibilität

Wie funktioniert die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen?

Die GB Psyche lässt sich zum Bedauern vieler Arbeitgeber:innen nicht nebenbei erledigen. Sie ist arbeitsaufwendig und daher empfiehlt es sich, die Schritte im Einzelnen zu planen und erst dann umzusetzen.

Planung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in 8 Schritten

Klären Sie zunächst, wer in Ihrem Unternehmen die interne Projektleitung für die GB Psyche übernimmt. Idealerweise sind dies Personen aus der Personalabteilung, die darüber hinaus kommunikativ und organisiert sind sowie die Fähigkeit besitzen ca. 1,5 Jahre (je nach Größe des Unternehmens) ein Projekt zu steuern. Wichtig ist auch zu klären, ob die GB Psyche mit internen Ressourcen bestritten wird oder externe Fachperson hinzugezogen werden. Beides ist legitim und umsetzbar.

Das Gesetz verlangt, bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung Tätigkeiten differenziert zu betrachten. Denn Mitarbeitende an der Telefonzentrale sind anderen psychischen Belastungen ausgesetzt als der Projektleiter IT. Gruppen können nach Arbeitsbereichen (z.B. Verwaltung, Produktion) oder nach Berufsgruppen (z.B. Führungskräfte, Kundenberater*innen) gebildet werden. Die Einteilung muss für die Kontrollinstanzen (BG, Unfallkassen) nachvollziehbar sein und in der Dokumentation klar erklärt werden.

Beispiel 1: Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen unterteilt seine 26 Mitarbeitende in die Gruppen Verwaltung und Triebfahrzeugführende / Wagenmeister*innen. Als Methode wurde die Prüfliste der Unfallversicherung Bund und Bahn ausgewählt.

Beispiel 2: Eine Gewerkschaft mit 10 Mitarbeitende befragte die Mitarbeitende ohne Unterteilung, da ansonsten die Anonymität verloren geht. Zum Einsatz kam der Kurzfragebogen zur Arbeitsplatzanalyse (KFZA) von Prof. Dr. J. Prümper.

Die Methode zur Erhebung psychische Belastung ist Ihnen frei überlassen, da der Gesetzgeber keine bestimmte Methode vorgibt. Es gibt keine „Einheitslösung“, auch wenn einige Dienstleister anderes behaupten.

Je nach Branche und Erfahrung mit Befragungen können Sie zwischen anonymen schriftlichen oder Online-Fragebögen, Interviews mit Mitarbeitergruppen oder moderierten Analyseworkshops wählen – oder eine Kombination dieser Verfahren einsetzen.

  • Vermeiden Sie Standardfragebögen: Viele im Internet angebotenen Fragebögen sind nicht auf Ihre Branche oder Tätigkeiten abgestimmt. Die Auswahl des Instruments sollte sich an den betrieblichen Rahmenbedingungen, der Betriebsgröße, den Tätigkeitsbereichen, der Branche und den Arbeitsanforderungen orientieren. Setzen Sie auf wissenschaftlich geprüfte Fragebögen.
  • Die Personalvertretung hat kein Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung, sollte jedoch aus Gründen der vertrauensvollen Zusammenarbeit einbezogen werden.
  • Es empfiehlt sich, Workshops von externen Fachexperten/innen moderieren zu lassen, da Mitarbeitende bei interner Moderation durch Personalabteilung, Betriebsarzt oder Geschäftsführer nicht offen sprechen werden.
  • Der Arbeitgeber kann die Befragung und psychische Gefährdungsbeurteilung an fachkundige Personen schriftlich delegieren. (z.B. Arbeits- und Organisationspsychologen)

 

Nach der Messung der Belastung geht es um die Beurteilung der ermittelten psychischen Belastung. Aber ab wann ist ein Arbeitsfaktor psychisch belastend, d.h. krankmachend?

  • Ampelsystem: anhand inhaltlicher Kriterien werden die Messwerte einsortiert in grün, gelb, rot.

Beispiel 1: Überstunden, die selten vorkommen sind eine geringe psychische Gefährdung, Überstunden, welche oft vorkommen sind eine hohe psychische Gefährdung.

Beispiel 2: Kundenkontakt mit netten, höflichen Kunden mit wenigen Kontakten ist eine geringe psychische Gefährdung. Kundenkontakt mit hoher Frequenz und permanent aggressivem Tonfall ist eine hohe psychische Gefährdung

  • Benchmark: Sie können Referenzwerte, also externe empirische Vergleichswerte nutzen, etwa aus der gleichen Berufsgruppe oder aus Betrieben derselben Branche. Nur was bedeutet es, wenn Ihr Unternehmen bessere oder schlechtere Werte aufweist?

Die Maßnahmenentwicklung und -umsetzung zur Reduzierung der psychischen Gefährdungen ist die zentrale Phase und das Ziel der GB-Psyche. Es gibt verschiedene Vorgehensweisen:

  • Interne Fachexpertise nutzen: ein strategischer HR-Bereich kennt die Methoden der humanen Arbeitsplatzgestaltung. Zusätzlich nutzen professionelle HR-Abteilungen Instrumente zur Früherkennung von Gefährdungen (z.B. Fluktuations- und Krankenquoten, BEM- und Recruiting-Controlling)
  • Die Mitarbeiter*innen selbst nach ihren Vorschlägen befragen. Was hilft, die psychische Belastung am Arbeitsplatz zu reduzieren.
  • Externe Fachexpertise einholen (z.B. Arbeits- und Organisationspsychologen, Unternehmensberatungen)

Das Gesetz verlangt, dass Betriebe nachverfolgen, ob sich die psychischen Belastungen nach der Umsetzung von Maßnahmen verändert hat. Haben Sie beispielsweise Maßnahmen zur Reduzierung von Arbeitsunterbrechungen ergriffen (z.B. durch Aufklärung oder geschlossene Türen), sollten Sie nach einer angemessenen Frist überprüfen, ob sich die Störungen verringert haben. Dazu können Sie die betroffenen Mitarbeitenden mündlich befragen oder eine schriftliche Kurzbefragung durchführen.

Alle Betriebe sind gesetzlich verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren. Die Dokumentation muss zeigen, dass die Beurteilung angemessen durchgeführt wurde, welche Maßnahmen ergriffen wurden und ob die Schutzziele erreicht wurden. Sie kann entweder in Papierform oder elektronisch gespeichert werden.

Der Gesetzgeber gibt keinen bestimmten Rhythmus vor. Nach den Erkenntnissen der Arbeits- und Organisationspsychologie empfehlen wir einen Rhythmus von 3-5 Jahren in Abhängigkeit von der Anzahl relevanten Früherkennungs-Instrumenten sowie Personalcontrolling-Kennzahlen im Unternehmen. Diese Kennzahlen können sein:

  • Krankenquote: Häufigkeit von Krankmeldungen, die auf psychische Belastungen oder andere Gesundheitsprobleme hinweisen könnten.
  • Fluktuationsquote: Die Rate von Mitarbeiterwechseln, die ebenfalls auf psychische oder organisatorische Probleme hindeuten kann.
  • BEM-Controlling (Betriebliches Eingliederungsmanagement): Regelungen zur Integration von kranken oder verletzten Mitarbeitern und deren Rückkehr an den Arbeitsplatz.
  • Recruiting-Controlling: Wird die richtige Zielgruppe erreicht? Werden Kandidaten mit den gewünschten Qualifikationen und Passung zum Unternehmen angesprochen?
  • Führungskräfte-Controlling: Die Qualität und das Verhalten von Führungskräften im Umgang mit Mitarbeitern, das eine bedeutende Rolle für die psychische Gesundheit spielt.
  • Feedback-Gespräche: Häufigkeit und Qualität der Gespräche zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten, die das Wohlbefinden und die Zufriedenheit fördern können.
  • Überstunden-Controlling: Kontrolle der Arbeitszeit und Überstunden, um Stress und Erschöpfung zu vermeiden.

Fazit

Die GB Psyche ist kein „Kinderspiel“. Sehen Sie sie dennoch nicht als Pflicht, sondern als Chance. Nutzen Sie die GB Psyche, um Ausfallrisiken von Mitarbeitenden zu reduzieren und Prozesse zu verbessern.

Welche Präventivmaßnahmen gibt es gegen sämtliche psychische Belastungen?

Die beste Präventionsmaßnahme gegen psychische Gefährdungen ist eine moderne Personalabteilung, die strategisch, pro-aktiv und nachhaltig arbeitet. Hochqualifizierte Personalmanager / HR Business Partner kennen alle relevanten Personalmanagement-Instrumente, welche sicherstellen, dass psychische Gefährdungen erst gar nicht auftreten. 

Relevante Personalmanagement-Instrumente sind Werkzeuge und Methoden, die Unternehmen dabei unterstützen, die Mitarbeitenden gesund zu führen, die Unternehmensziele zu erreichen sowie die Mitarbeitenden motiviert, leistungsfähig und gesund zu halten.

Hier sind einige der wichtigsten Instrumente:

    • Recruiting umfasst alle Maßnahmen zur Gewinnung neuer Mitarbeitender, einschließlich Stellenausschreibungen, Bewerbungsgesprächen und Auswahlverfahren.
    • Onboarding beschreibt die Integration neuer Mitarbeitenden ins Unternehmen, damit diese schnell produktiv werden und sich wohlfühlen.
    • Weiterbildung und Schulungen: Gezielte Programme zur fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung.
    • Talent Management: Identifikation und Förderung von High Potentials zur langfristigen Bindung und Karriereentwicklung.
    • Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen: Regelmäßige Gespräche zur Beurteilung der Leistung, Feedback und Festlegung von Zielen.
    • 360-Grad-Feedback: Umfassendes Feedback aus verschiedenen Perspektiven (Kollegen, Vorgesetzte, Selbstbeurteilung).
    • Gehaltsstruktur und Bonusprogramme: Festlegung von Gehältern, Zusatzleistungen und Anreizen zur Motivation der Mitarbeitenden.
    • Benefits: Zusätzliche Leistungen wie Gesundheitsförderung, Firmenwagen oder Altersvorsorge.
    • Führungskräfteentwicklung: Programme, die Führungskräfte auf ihre Rolle vorbereiten und ihnen helfen, ihre Führungsfähigkeiten zu verbessern.
    • Coaching und Mentoring: Individuelle Unterstützung zur Weiterentwicklung von Führungskräften und Mitarbeitenden.
    • Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM): Programme zur Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden.
    • Flexible Arbeitszeitmodelle: Ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
    • Mitarbeiterbefragungen: Regelmäßige Umfragen zur Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden.
    • Retention-Programme: Strategien zur langfristigen Bindung von Mitarbeitenden, wie z.B. durch Karriereentwicklung oder Anerkennung.
    • Kennzahlen und Analysen: Sammlung und Auswertung von Daten wie Fluktuation, Krankenquote und Performance, um Personalentscheidungen datenbasiert zu treffen.
    • Zeiterfassungssysteme: Kontrolle von Arbeitszeiten und Überstunden.
    • Urlaubsplanung: Optimierung des Urlaubsmanagements zur Vermeidung von Engpässen.
  • Change Management: Unterstützung bei Veränderungsprozessen und der Anpassung an neue Marktbedingungen.
  • Teamentwicklung: Förderung der Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb von Teams.

Diese Instrumente helfen dabei, ein positives und gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen. Gerne empfehlen wir geeignete Methoden für Ihr Unternehmen. Darüber hinaus unterstützen wir Sie im Projektmanagement und der Durchführung einer GB Psyche.

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Ansprechperson

Dip.-Psych. Sabine Cürten
Arbeits- und Organisationspsychologin


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